In den abgelegenen Höhen der Anden spielt der Gottesdienst eine zentrale Rolle im Leben der Gemeinschaft. Es ist nicht nur ein religiöser Akt, sondern ein lebendiger Ausdruck von Tradition, Glauben und Zusammenhalt. Schon früh am Morgen versammeln sich die Gemeindemitglieder, um die Kirche für die Feierlichkeiten vorzubereiten. Diese Momente des gemeinsamen Engagements sind ein Spiegelbild des starken Gemeinschaftssinns, der diese Dörfer prägt.
Die Vorbereitung des Gotteshauses
Die Vorbereitungen für den Gottesdienst beginnen oft Tage im Voraus. Die Hauptverantwortung liegt bei den Gemeindemitgliedern, welche zusammen mit dem Priester die Messintentionen aufnehmen. Jede Familie oder Einzelperson bringt ihre Anliegen und Bitten vor, die während des Gottesdienstes vorgetragen werden. Diese Praxis, die tief in der katholischen Tradition verwurzelt ist, gibt dem Gottesdienst eine besonders persönliche und gemeinschaftliche Note.
Der Hauptaltar ist das Herzstück der Kirche und wird mit größter Sorgfalt geschmückt. Blumen, die in den umliegenden Bergen gepflückt wurden, symbolisieren die Schönheit und Fruchtbarkeit der Natur, während Kerzen und bunte Stoffe die spirituelle Verbindung zwischen Himmel und Erde darstellen. Die Dekoration des Altars ist nicht nur eine ästhetische Aufgabe, sondern auch ein Akt des Glaubens und der Hingabe.
Katechese ohne Altersgrenze
In der Andengemeinde gibt es keine Altersgrenze für die Katechese. Sie ist ein integraler Bestandteil des täglichen Lebens und wird von Jung und Alt gleichermaßen geschätzt. Don Genaro, ein bewundernswerter Mann im Alter von 90 Jahren, ist ein lebendiges Beispiel dafür. Trotz seines hohen Alters hält er weiterhin Andachten und predigt mit einer Energie und Leidenschaft, die jüngere Generationen inspiriert. Seine Weisheit und Lebenserfahrung verleihen seinen Worten eine besondere Tiefe und Authentizität, die alle Anwesenden berührt.
Kinder sitzen während der Katechese aufmerksam auf den Holzbänken oder manchmal einfach auf dem Kirchenboden, während ältere Mitglieder der Gemeinde in stiller Ehrfurcht lauschen. Es ist ein Moment, in dem Generationen miteinander verbunden sind, während die Werte und die Glaubensgrundsätze weitergegeben werden.
Der Gottesdienst
Wenn die Glocken läuten, erfüllt ein Gefühl der Erwartung und Freude die Luft. Die Gemeinde strömt in die Kirche, ihre Gesichter leuchten in der Morgensonne. Die Zeremonie beginnt mit traditionellen Gesängen, begleitet von einheimischen Instrumenten wie der Quena (einer Art Flöte) und der Charango (einer kleinen Gitarre). Diese musikalischen Elemente verleihen dem Gottesdienst eine einzigartige kulturelle Note und erinnern an die tief verwurzelte Verbindung zwischen dem christlichen Glauben und den indigenen Traditionen.
Der Priester, oft ebenfalls ein angesehener älterer Mann, leitet die Messe mit einer Würde und Wärme, die alle Anwesenden erfasst. Don Genaro, wenn er nicht selbst die Messe hält, hat immer einen Platz in der ersten Reihe, wo er seinen Segen spendet und die Gemeinde mit seinen stillen Gebeten unterstützt.
Die Bedeutung des Gottesdienstes
Für die Menschen in der Andengemeinde ist der Gottesdienst weit mehr als eine religiöse Pflicht. Er ist ein Moment des Zusammenkommens, ein Raum für Reflexion und ein Anlass, Dankbarkeit auszudrücken. Besonders in den Herausforderungen des Lebens in den Bergen – vom harten Klima bis zur Abgeschiedenheit – bietet der Gottesdienst Trost und Hoffnung.
Nach der Messe versammelt sich die Gemeinde oft draußen vor der Kirche, um Neuigkeiten auszutauschen, gemeinsam zu essen oder einfach die Gemeinschaft zu genießen. Diese Momente des sozialen Austauschs sind ebenso wichtig wie die spirituellen Elemente und stärken die Bindungen zwischen den Gemeindemitgliedern.
Ein lebendiges Erbe
Der Gottesdienst in einer Andengemeinde ist ein lebendiges Erbe, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Es ist eine Feier des Lebens, des Glaubens und der Gemeinschaft, die in ihrer Einfachheit und Tiefe beeindruckt. Don Genaro und seine unermüdliche Hingabe sind ein leuchtendes Beispiel dafür, wie der Glaube Menschen auch in hohem Alter stärken und inspirieren kann.
So wird die Kirche nicht nur zu einem Ort des Gebets, sondern auch zu einem Zentrum des Lebens, einer Quelle der Inspiration und einem Anker in der oft schwierigen Realität der Berge. Die Andengemeinden zeigen, wie Tradition und Innovation Hand in Hand gehen können, um eine lebendige und bedeutungsvolle spirituelle Praxis zu schaffen, die den Alltag bereichert und die Gemeinschaft stärkt.
P. Claus Braun
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